Volles Mittagsgeschäft, das Telefon läutet, die Bestellung für die Abendveranstaltung ist soeben eingetroffen – und neben dem Herd liegt ein Klemmbrett mit Temperaturlisten, das seit zwei Stunden niemand ausgefüllt hat. Kommt Ihnen das bekannt vor? Genau hier setzt eine digitale Lösung an: Mobile HACCP-Checklisten auf dem Smartphone oder Tablet, lückenlose Nachweise in SharePoint und automatische Workflows, die im Hintergrund zuverlässig an Kontrollen erinnern und bei Abweichungen sofort eskalieren. Ergebnis: weniger Papier, weniger Hektik, mehr Sicherheit.
Hintergrund: In der EU sind Betriebe verpflichtet, Verfahren auf Basis der HACCP-Grundsätze anzuwenden – festgeschrieben in der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene. Sie verlangt, dass Lebensmittelunternehmer geeignete Maßnahmen zur Gefahrenanalyse, Steuerung und Überwachung etablieren und dokumentieren. Das gilt für Gastronomie ebenso wie für Bäckereien, Konditoreien und andere Lebensmittelbetriebe.
Das HACCP-System folgt international anerkannten Prinzipien des Codex Alimentarius: Gefahren ermitteln, kritische Lenkungspunkte bestimmen, Grenzwerte festlegen, überwachen, Korrekturmaßnahmen definieren, verifizieren und vor allem: lückenlos dokumentieren. Diese sieben Schritte bilden das Rückgrat eines funktionierenden Hygienekonzepts – unabhängig davon, ob es sich um eine Hotelküche, ein Bistro oder eine Produktionsküche handelt.
Gerade die Dokumentation ist der Hebel, an dem Digitalisierung messbar wirkt: Digitale Formulare halten Werte inklusive Zeit- und Benutzerstempel fest, Fotos belegen Reinigungen oder Wareneingänge, und Berichte entstehen automatisch. Das entspricht unmittelbar dem HACCP-Prinzip 7 (Dokumente und Aufzeichnungen) – und macht Nachweise für Behörden oder interne Audits jederzeit abrufbar.
Auch die Praxisanforderungen an Temperaturführung werden so einfacher eingehalten und belegt: Gekühlte Lebensmittel sollten bei höchstens etwa 5 °C gelagert, warme Speisen für die Ausgabe heißgehalten werden; diese Spannbreiten sind zentrale Bausteine sicherer Küchenprozesse und lassen sich mit digitalen Temperatur-Logs zuverlässig nachverfolgen.
Für Betriebe in Österreich kommt hinzu: Branchenleitfäden – etwa aus dem Tourismus- und Freizeitbereich – betonen die Anwendung der HACCP-Grundsätze im täglichen Betrieb. Eine App-gestützte Arbeitsweise hilft Küchen-Teams, diese Leitlinien im Stress des Alltags konsequent umzusetzen.
In diesem Beitrag zeigen wir, wie Sie mit einer Power Apps-Lösung praxistaugliche Checklisten für Temperaturkontrollen, Reinigung und Wareneingang erstellen, Nachweise automatisch in SharePoint ablegen, mit Power Automate Abweichungen eskalieren und PDF-Berichte erzeugen – und wie Power BI aus Ihren Daten sinnvolle Trends macht. Kurz: So wird HACCP vom Pflichtprogramm zum smarten Qualitätswerkzeug.
Von der Papierliste zur App: So sieht die Lösung in der Praxis aus
Der Einstieg ist unspektakulär – und genau das macht ihn stark. In SharePoint Online legen wir für jeden HACCP-Bereich strukturierte Listen und Bibliotheken an: Temperaturkontrollen, Reinigungsnachweise, Wareneingang, Abweichungen und Berichte. Jede Liste erhält sprechende Spalten wie Datum/Uhrzeit (automatisch), Station/Bereich, Produkt, Messwert, Grenzwertprüfung, Korrekturmaßnahme, Verantwortliche Person sowie Fotoanhänge als Beleg. In der Dokumentbibliothek „Berichte“ landen später automatisch erzeugte PDF-Zusammenfassungen, eindeutig benannt nach Datum, Standort und Schicht. So entsteht eine saubere Datenbasis, auf die sich alles Weitere aufsetzt.
Die Bedienoberfläche bildet eine Canvas-App in Power Apps. Sie ist für den Service-Alltag optimiert: große Eingabefelder, ein kontextabhängiger Flow (Temperatur → Grenzwertprüfung → Korrekturmaßnahme), Kameraeinbindung für Fotodokumentation und ein Barcodescanner, mit dem Sie Wareneingänge oder Behälterkennzeichnungen blitzschnell erfassen. Power Apps stellt hierfür einen nativen Barcode-/QR-Scanner bereit – ideal für Kühllogistik und Etikettenprüfung direkt am Übergabepunkt.
Damit die App auch in Funklöchern funktioniert, setzen wir auf ein „offline-freundliches“ Muster: Werte werden zunächst lokal erfasst und mit Rückkehr ins WLAN synchronisiert. Power Apps unterstützt dafür ein einfaches Caching über SaveData/LoadData sowie – wo sinnvoll – die neue mobile Offline-Funktionalität; damit bleiben Eingaben erhalten, selbst wenn die Verbindung für einige Minuten wegbricht.
Compliance by Design bedeutet, dass Prozesse sich an anerkannten Standards orientieren. Die App spiegelt die HACCP-Logik nach Codex Alimentarius (Gefahrenanalyse, CCPs, Grenzwerte, Überwachung, Korrektur, Verifizierung, Dokumentation) sowie die EU-Anforderungen an Verfahren auf Basis der HACCP-Grundsätze. Das entlastet Teams, weil die App den roten Faden liefert und die Dokumentation gleich mit erzeugt.
Regional sinnvoll: Für Betriebe in Österreich lassen sich Leitlinien der Wirtschaftskammer und praxisnahe Empfehlungen der AGES direkt in die Vorlagen überführen – etwa Zielbereiche für Kühltemperaturen und Hinweise zum sicheren Warmhalten. So entstehen Checklisten, die nicht nur formal korrekt sind, sondern die tagtägliche Küchenrealität treffen.
Automatisieren & Nachweise sichern: Workflows, PDF, Versionierung
Wo früher jemand „kannst du bitte…“ rief, übernimmt heute Power Automate. Erinnerungen an Temperaturmessungen gehen automatisch an das Team, Eskalationen bei Grenzwertüberschreitung benachrichtigen die Schichtleitung in Microsoft Teams mit allen Details (Messwert, Station, Foto, vorgeschlagene Korrekturmaßnahme). Für formale Prüfungen – zum Beispiel Abweichungen mit CAPA-Charakter – nutzen wir einen kompakten Genehmigungsprozess, der die Entscheidung protokolliert und bei Bedarf die nächsten Schritte anstößt.
Für Audits ist ein sauberer Nachweis alles. Aus Tages- oder Schichtdaten erzeugt ein Flow automatisch einen PDF-Bericht: mit Logo, Standort, Zeitfenster, Verantwortlichen, vollständigen Messreihen, Abweichungen und Korrekturen. Technisch greifen wir häufig zu Word-Vorlagen, die Power Automate füllt und anschließend per „Word Online (Business) → Convert Word Document to PDF“ in eine revisionssichere Ablage schreibt. So liegen Berichte jeden Morgen fix fertig in der SharePoint-Bibliothek – ohne manuelles Exportieren.
In SharePoint selbst aktivieren wir die Versionsverwaltung für Listen und Bibliotheken. Jede Änderung an einem Eintrag oder Dokument bleibt nachvollziehbar; frühere Stände können eingesehen oder wiederhergestellt werden – ein unschätzbarer Vorteil, wenn Prüfende Einsicht in den Verlauf verlangen oder eine Korrekturkette belegt werden muss.
Darüber hinaus lassen sich Aufzeichnungen mit Microsoft Purview als (regulatorische) Records kennzeichnen und mit Aufbewahrungslabels verwalten. Das schafft klare, automatisierte Regeln, wie lange HACCP-Dokumente bleiben müssen und was danach passieren darf. Die Labels können manuell oder – je nach Szenario – automatisch angewendet werden, wodurch Sie eine konsistente, prüffeste Archivierung erreichen.
Ein praktischer Nebeneffekt der Digitalisierung: Hygienevorgaben rund um Kühlen und Warmhalten werden nicht nur erledigt, sondern belegt. Zielkorridore – etwa 1 bis 5 °C im Kühlschrank bzw. sicheres Warmhalten – werden in der App als Grenzwerte hinterlegt, sodass Abweichungen nicht übersehen werden. Die Hinterlegung stützt sich auf einschlägige österreichische Praxisempfehlungen und branchenspezifische Skripten.
Aus Daten lernen: Trends, Dashboards & handfeste Entscheidungen
Wenn tägliche Kontrollen strukturiert erfasst werden, entsteht mit der Zeit ein wertvoller Datenschatz. Power BI verwandelt diese Aufzeichnungen in ein übersichtliches Qualitätscockpit für Küchenleitung und Management. Wiederkehrende Muster werden sichtbar: zu welchen Zeiten die meisten Abweichungen auftreten, welche Stationen häufiger Korrekturen brauchen, wie sich die Reinigungsquote über Wochen entwickelt oder ob Wareneingangsprüfungen zu bestimmten Lieferanten systematisch Auffälligkeiten zeigen. So lassen sich Trainings gezielt ansetzen, Schichtpläne anpassen oder Lieferanten im Gespräch mit belastbaren Fakten konfrontieren.
Damit nur sieht, wer sehen soll, nutzen wir Row-Level-Security (RLS). Standortleitungen bekommen ausschließlich ihre eigenen Daten, das Management eine konsolidierte Sicht – ohne separate Berichte pflegen zu müssen. RLS wird rollenbasiert im Datenmodell definiert und in der Power BI-Cloud durchgesetzt, sodass Sie Sicherheit auf Zeilenebene konsequent beibehalten.
Für Situationen, die sofortiges Handeln erfordern, richten wir Datenwarnungen ein: Überschreitet etwa die Zahl offener Abweichungen einen Schwellwert, löst das System automatisch eine Benachrichtigung aus – auf Wunsch verknüpft mit einem Power-Automate-Flow, der ein Ticket erstellt oder das Team in Microsoft Teams informiert. Damit werden Kennzahlen nicht nur beobachtet, sondern praktisch in Arbeitsabläufe überführt.
Das Ergebnis ist ein durchgängiger Kreislauf: Standards und Leitlinien geben den Rahmen vor, die App macht die Erfassung leicht, Automatisierungen sorgen für Tempo und Verlässlichkeit, SharePoint hält die Nachweise revisionsfest, Purview regelt die Aufbewahrung – und Power BI macht aus allem eine Steuerungsgrundlage. Oder kurz: Hygiene wird messbar, auditfest und im Tagesgeschäft spürbar einfacher.






